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[Perspektive Portugal] Würdigung einer kulinarischen Legende

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30. Apr. 2012
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Zum Jubiläum ein virtueller Spaziergang
Die Pasteis de Nata, richtiger: Pasteis de Belém, haben Geburtstag. In diesen Tagen feiert die weit über die Landesgrenzen hinaus berühmte Bäckerei und Konditorei Antiga Confeitaria de Belém im gleichnamigen Lissabonner Stadtteil den 175. Jahrestag der Kreation des bis heute strikt geheim gehaltenen Rezeptes für die Cremetörtchen.

Die von Touristen als Muss für einen Besuch der Hauptstadt bekannte Pastelaria verkauft nun die Pasteis in speziell zum Jubiläum entworfenen Verpackungen mit Motiven der Hauptstadt. Gleichzeitig liefern die Packungen einen Zugang zum Code für eine App (iPod, iPad und Android), die einen virtuellen Spaziergang durch Belém ermöglicht, ergänzt durch zahlreiche Informationen zu Straßen, Gebäuden, Geschichte, historischen Persönlichkeiten und anderem Wissenswerten über Belém. Wer vorab und ohne App mehr über das historische Viertel erfahren möchte, kann dies hier tun.

Die Häuser in der Rua Vieira Portuense beherbergen Andenkenläden und Restaurants mit Blick über eine Grünfläche, die es vor fünfhundert Jahren noch nicht gab. Bevor der Tejo versandete, schlugen hier seine Wellen an den Kai; an einigen Stellen sind noch Überreste alter Ankervorrichtungen sichtbar. Das Erdbeben von 1755 hat Belém verschont, wer heute durch das Viertel geht, begegnet der Vergangenheit. Alte Sträßchen wie die Travessa dos Ferreiros a Belém, die „Gasse der Schmiede vom Belém“, erinnern an die Arbeit der Handwerker und an ihre Werkstätten.

Wenige Schritte entfernt stand am Strand des Tejo die Seefahrerkapelle Nossa Senhora de Belém: Heinrich der Seefahrer ließ sie errichten, sie gab dem Ort den Namen: „Bethlehem“ am Tejo. König Manuel I ließ genau dort im April 1500 den Grundstein für das Mosteiro dos Jerónimos legen. Jahrzehnte wurde gebaut, zeitweise arbeiteten hier fünftausend Menschen. Zum Entstehen dieses bedeutenden Werks portugiesischer Baukunst und zum Gelingen der Entdeckungsfahrten haben Handwerker aus Belém und aus dem Nachbarort Restelo erheblich beigetragen.
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Das Jerónimo-Kloster um 1700
Der Name Restelo zeugt von einer weltlichen Rolle: Landwirtschaft und Handwerk ernährten hier die Menschen und der Ortsname erinnert an das bäuerliche Leben: „Restelo“ ist eine Hechel, ein kammartiges Werkzeug zum Aufbereiten von Flachsfasern, dem Grundstoff für die Leinenherstellung. In einigen alten Dokumenten wird das ehemalige Dorf auch „Rastelo“ genannt, das ist eine Egge. Mit der zunehmenden Bedeutung der Seefahrt entwickelten sich der Ankerplatz Restelo und das Fischerdorf Belém zu Hochburgen mittelalterlichen Handwerks.

Die drei wichtigen Verkehrswege aus Nord- und Zentralportugal endeten am gewaltigen natürlichen Hafenbecken der Tejomündung, das damals noch gut zweihundert Meter weiter ins Landesinnere reichte: Ideale Bedingung für das Entstehen von Werften.

Schon König Afonso III ließ hier um 1250 Kriegsschiffe bauen, notierte der Hofchronist Rui de Pina. Schiffbau fand auch in Lagos und Porto statt, die wichtigsten Werften aber lagen am Hafen von Restelo. Karavellen wurden gebaut: Kleine, längliche Schiffe mit so guten Segeleigenschaften, dass sie im 15. Jahrhundert zum modernsten Überseefahrzeug avancierten. Später entstanden die Naus, Schiffe für schwere See. Aus dem in der Umgebung kultivierten Flachs stellten Leinenweber Segel für die Schiffe her.

Händler aus ganz Portugal verkauften, was Seeleute benötigten: Die Tagesration eines Matrosen bestand aus einem Pfund Rindfleisch oder einem halben Pfund Schweinefleisch, einem Liter Wasser und ebenso viel Wein, ein bisschen Essig und Öl sowie eineinhalb Pfund Schiffszwieback. Die Öfen der Gegend lieferten in drei Jahren knapp 900 Tonnen Schiffszwieback, mehr als eine Million Tagesrationen. Wein und Trinkwasser wurden in Fässern verladen. Die Mannschaften heuerten hier an. Gewöhnlich gingen auch einige Sträflinge an Bord, die während der Expeditionen besonders gefährliche Arbeiten durchführen mussten. Ihr letzter Aufenthaltsort vor Beginn der Reise war ein Kerker in Belém.

Seit dem 14. Jahrhundert war Lissabon Freihafen; zeitweise lagen bis zu fünfhundert, meist ausländische Handelsschiffe hier vor Anker. Sie verkauften ihre Waren zu hohen Preisen, was die portugiesische Krone anspornte, die eigene Handelsflotte auszubauen. Gleichzeitig sollten die Schiffe im Kriegsfall auch bei Seeschlachten einsetzbar sein. Seefahrer aus anderen Ländern kamen in den Hafen Restelo und brachten ihre Kenntnisse mit, von denen die portugiesischen Seeleute und auch die Handwerks-Meister lernten.
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Vasco da Gamas Indienfahrt
Gemälde von Alfredo Roque Gameiro (1864-1935)
Als Vasco da Gama 1499 nach erfolgreicher Erkundung des Seewegs nach Indien in seine Heimat zurückkehrte, legte seine Flotte im Hafen Restelo an. Von hier stach Anfang März des Jahres 1500 auch Pedro Álvares Cabral mit dreizehn Schiffen in See: Auf einer achtzehn Monate langen Fahrt sollten neue Routen ausprobiert werden; die Expedition landete schließlich an der Küste Brasiliens. Gewürze, Tropenhölzer, Gold, Edelsteine und Sklaven aus den entdeckten Ländern erreichten Portugal: All dies landete in dem kleinen Hafen Restelo.
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Auf einen Stock gestützt, ist
"Der Alte von Restelo" auch auf
dem Entdeckerdenkmal
am Tejoufer verewigt
Lissabon und seine Vororte erlebten eine Bevölkerungsexplosion. Das erschwerte die Versorgung der Menschen und führte zu mangelnder Hygiene: Epidemien breiteten sich aus.
Ein beträchtlicher Teil des Geldes aus Lissabons Stadtsäckel wurde für die Beseitigung von Unrat eingesetzt. Aus jener Zeit stammen die Casas de Saúde, in Belém gab es 1471 drei Gesundheitspräfekten, zwei Ärzte sowie einen Gesundheitspolizisten für das Hafengebiet und einen weiteren für das Dorf Belém.
Die Legende erzählt vom alten Mann aus dem Ort, dem „Velho do Restelo“, von Luís de Camões im Nationalepos „Lusíadas“ verewigt. Der Alte war ständiger Gast im Hafen und wurde nicht müde, vor den Gefahren jener Zeit zu warnen. Er mahnte, an die menschlichen Verluste durch Krankheit, Schiffbruch und Kriege zu denken, an Dinge, die Familien für immer trennen können.

Sowohl Restelo, als auch Belém waren eigenständige Ortschaften, die erst 1885 nach Lissabon eingemeindet wurden. Die beiden Stadtteile verschmolzen übergangslos: Restelo ist heute Diplomaten-Viertel und die feinste Wohngegend der Hauptstadt, Belém verdankt seine Bekanntheit dem Amtssitz des Staatspräsidenten, in erster Linie aber dem monumentalen Kloster, dem Mosteiro dos Jerónimos.
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