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[Perspektive Portugal] Letzter Akt in einem Mammut-Verfahren

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Der Prozess im Pädophilie-Skandal um das Kinderheim Casa Pia geht in eine neue Phase, die den endgültigen Abschluss bilden soll: Ab 26.1. sollen die Berufungs-Anträge der bereits Verurteilten verhandelt werden; die die Verteidiger im Dezember 2010 eingereicht hatten. Das zuständige Gericht erwartet „wenige Sitzungstage“.

Die Grundlagen des Prozesses gehen ins Jahr 2003 zurück, als die Aufdeckung von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch an Kindern des Lissabonner Kinderheims durch prominente Figuren der portugiesischen Gesellschaft in die Schlagzeilen geriet. Nebenbei ging es um unerlaubten Waffenbesitz und Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Die Klageschrift füllte 300 Seiten.
Nach fast sechsjähriger Prozess-Dauer wurden im September 2010 der frühere TV-Star Carlos Cruz und der Arzt João Ferreira Diniz zu sieben Jahren, der ehemalige Botschafter Jorge Ritto und der Anwalt Hugo Marçal zu sechs Jahren Haft verurteilt, weitere Angeklagte erhielten mildere Urteile für die Begünstigung der Straftaten.

Portugals in diesem Fall sehr gespaltene Öffentlichkeit nahm von Anfang an äußerst regen Anteil an der Veröffentlichung der Vorwürfe und am Fortgang des Prozesses.
Begonnen hatte der Missbrauchsfall mit dem Mut eines Einzelnen, das Schweigen zu brechen, hinter dem zwanzig Jahre lang ein Skandal verborgen blieb: Die Zuführung Jugendlicher an zahlungskräftige Mitglieder der oberen Zehntausend in Apartments in Lissabon, Évora und der Algarve. Die Mutter eines Jungen, „Joel“ genannt, zeigte Ende September 2002 den Casa-Pia-Mitarbeiter Carlos Silvino, Spitzname „Bibi“, wegen sexueller Belästigung des Sohnes an. Bibi wird verhaftet, die Wochenzeitung Expresso berichtet kurz darauf über Hunderte von Kindern, denen offenbar das gleiche Schicksal widerfuhr.
Mit der Verteidigung beauftragte Bibi den Anwalt Hugo Marçal, der aber wurde am 1. Februar 2003 unter dem gleichen Tatverdacht verhaftet. Die Kriminalpolizei nahm in der selben Nacht weitere Personen fest, darunter in Quarteira auch den Fernsehmoderator Carlos Cruz. Der Fall wurde zum Prüfstein für Polizei und Justiz und lief teilweise als Reality-TV zur besten Sendezeit.
Aufgrund der Länge des Verfahrens setzte sich die Meinung fest, es werde nicht zu Verurteilungen der schillernden Persönlichkeiten kommen.

Vor genau zwei Jahren brachten Berichte der Medien die Öffentlichkeit auf den Stand der Statistik:
  • Der Hauptbeschuldigte Carlos Silvino (55), der als Casa-Pia-Mitarbeiter die Fäden gezogen haben soll, lebt von Sozialrente.
  • Carlos Cruz, einst Portugals beliebtester TV-Moderator, verkaufte nach eigener Angabe Häuser, Autos und Kunstwerke und erhält 3.100 Euro Rente. Inzwischen wurde seine Ehe geschieden.
  • Ex-Casa Pia-Vorstand Manuel Abrantes ist ebenfalls Rentner, heiratete erneut und wurde Vater.
  • Botschafter Jorge Ritto gehört nicht mehr zum Außenministerium,
  • der Arzt João Ferreira Diniz arbeitete wieder in einem Lissabonner Centro de Saúde.
  • Der Anwalt Hugo Marçal war 2010 im Begriff, sich für das Richteramt zu qualifizieren.
  • Hausfrau Gertrudes Nunes, in deren Wohnung in Elvas es pädophile Treffen gegeben haben soll, erhält ebenfalls eine Rente.
Ob der Prozess nun wirklich rasch abgeschlossen wird, ist nicht sicher: Ricardo Sá Fernandes, der Anwalt von Carlos Cruz, beantragte heute, das Berufungsverfahren erst im Februar zu beginnen, denn er habe im Januar zu viele andere, ebenfalls medien-wirksame Prozesse auf dem Tisch.Dieser Link ist leider nicht mehr erreichbar

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