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- 15. Okt. 2017
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In der Pflanzensymbolik gilt der Mandelbaum als Sinnbild des Leichtsinns, denn er treibt seine Blüten in der für Pflanzen nicht immer wohltuenden Kälte aus. Früher als andere Bäume verwandeln Mandelbäume mit ihren leuchtend zartrosa-weißen, fragilen Blüten an knorrigen Ästen die Algarve auch im Winter zum Garten. Mandelbäume waren ursprünglich nur in West- und Zentralasien heimisch. Die Mauren brachten sie in Portugals Süden, was in der allgegenwärtigen Legende des arabischen Kalifen Ibn-Almundim verewigt ist, der tausende von Mandelbäumen gegen das Heimweh seiner geliebten Prinzessin Gilda nach dem schneereichen Atlasgebirge pflanzen ließ, um ihr durch die weißen Blütenblätter die Illusion von Schnee zu schaffen.
Abseits dieser in der alten Mauren-Hauptstadt Silves angesiedelten poetischen Legende war die Mandel über viele Generationen hinweg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region. Besonders Tavira stand im Mittelpunkt der Mandelzucht, die der Stadt und dem Umland eine wechselvolle Wirtschafts-Geschichte bescherte.
Der Augustinermönch João de São José (er war Abt im ‘Convento de Nossa Senhora da Graça’ in Tavira) schrieb bereits im Jahr 1577 in der „Chorologie des Königreichs Algarve“, einer vegetations-geografischen Beschreibung der Landschaft und ihrer Nutzung: „Die Mandel erweist sich als wertvolles Gut, denn sie braucht keinen Dünger, verfault nicht bei Regen und lässt sich von Käfern nicht beeindrucken, sodass ihr Besitzer keine weiteren Umstände mit ihr hat, als sie zu ernten.“ Doch der Mönch hatte andere Einflüsse der Natur nicht bedacht: Mitte des 17.Jahrhunderts dezimierte eine Pest-Epidemie die Bevölkerung, bis es schließlich kaum noch arbeitsfähige Menschen gab. Die Landwirtschaft kam zum Erliegen. Auch das Hafenbecken von Tavira war bald fast vollständig versandet, sodass die Handelsschiffe nicht mehr in den Hafen gelangten – die Region verlor ihre ökonomische Bedeutung. Einzig die Küstenschifffahrt und die Flussfischerei hatten Bestand.
Tavira war auf Kontakte mit dem nahen Umland zurückgeworfen und litt unter dem Abgeschnittensein von der übrigen Welt, mit der noch eine Generation zuvor reger Handel und kultureller Austausch stattgefunden hatte. Fischfang und Salzgewinnung waren der Gegend als Lebensgrundlage geblieben. Doch schließlich besannen sich die Menschen auf die Wiederbelebung der Landwirtschaft, kultivierten neben Feigen und Johannisbrot in wachsendem Umfang auch Mandelbäume. Deren Ertrag erreichte als Exportgut bald auch wieder entfernte Länder; Italien und Flandern garantierten der Stadt eine gewisse Teilnahme am Welthandel.
In historischen Dokumenten ist die damals erneut aufkeimende Bedeutung der Mandeln dokumentiert, aber auch die Abhängigkeit von ihr: Eine Chronik im Stadtarchiv von Tavira berichtet über ein Jahr, in dem die Bäume steril waren und keine Früchte hervorbrachten, was große Not in der Bevölkerung verursachte. Auch in anderen Teilen der Region waren Mandeln mehr als nur Landschafts-Schmuck: Hinter Namen wie Bonita, Convento oder Lourencinha verbergen sich Mandelsorten, die auch im gesamten Kreis Portimão und rund um Silves wuchsen; Ludo, Ferragudo und José Dias gehörten ebenso dazu wie die besonders schmackhafte Fôfana oder die weiche Molar da Fuzeta – Namen, an die sich heute nur noch Eingeweihte erinnern; 27 verschiedene Sorten wuchsen auf den Mandelplantagen der Algarve.
Die Bäume brachten im Schnitt bis zu 2.000 Tonnen Ertrag pro Jahr. Im Anbaugebiet selbst wurde davon nur ein Zehntel verbraucht, der Rest ging in den Export in andere Länder Europas, vor allem nach Deutschland, Belgien, Holland und England, und machte die Algarve und damit Portugal zu einem der wichtigsten Mandelexporteure überhaupt. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Agrartechnik ging ein beispielloser Aufschwung einher: Im Jahr 1965 wurden 10.000 Tonnen Mandeln geerntet, die auf rund 4,2 Millionen Bäumen in der Algarve gereift waren. Die Frucht gehörte zu jedermanns täglichem Speiseplan, zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit oder Aperitif, ganz zu schweigen von den vielen Rezepten für Süßspeisen, in denen Mandeln ein Hauptbestandteil waren und sind. Die Schalen der Früchte wurden als Brennstoff verarbeitet, Mandelöl als integraler Bestandteil kosmetischer Produkte eröffnete dem Erzeugnis aus der Algarve weitere Absatzmärkte.
Die Region wurde reicher und sprach sich mehr und mehr auch als touristisches Ziel herum. Ein Verdrängungs-Prozess begann: Die Bäume wurden gerodet, denn Hotelanlagen versprachen höhere Rendite als Mandelhaine. Wo Bauen nicht rentabel war, wurden vergleichsweise pflegeleichte Apfelsinen angepflanzt. Die Modernität jenseits der traditionellen Landwirtschaft erschien allzu verheißungsvoll; weder Behörden noch Bürger widersetzten sich dem langsamen, von Menschenhand herbeigeführten Mandelsterben.
1976 wurden schließlich nur noch 300 Tonnen Mandeln exportiert – ein Rückgang um mehr als das Dreißigfache in gerade mal zehn Jahren. In den 1980ern war die Produktion dann so gering, dass nicht einmal verlässliche Statistiken darüber vorliegen. Die Frucht, die Jahrhunderte lang als die Königin der regionalen Wirtschaft gegolten hatte, war zu ihrem Stiefkind geworden. Inzwischen wurden Pläne für die Rückkehr zum Mandelanbau in Angriff genommen. Auch wenn die kalifornische Übermacht von rund achtzig Prozent der Weltproduktion erdrückend scheint, wollen Landwirte in Alentejo und Algarve der für Portugals Süden so emblematischen ‘Prunus dulcis’ verstärkt anpflanzen. Insbesondere der Einzugsbereich der Alqueva-Talsperre erweist sich als vielversprechendes Terrain.
Eine Studie der Algarve-Universität führt aus, dass unter anderem veränderte Ernährungsansprüche zur Wiederentdeckung der Frucht beitragen: Ihre Eigenschaften machen die Mandel zu einem der gesündesten Lebensmittel mit einem ungewöhnlich hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren bei Abwesenheit anderer Fette und Cholesterin. Mandeln enthalten Linolsäure, Vitamin E und Selen, das bei der Vorbeugung gegen Krebserkrankungen hilft, gegen Diabetes und den Grauen Star. Mandeln sind reich an Kalzium, Eisen, Magnesium, Phosphor, Kalium, Zink, Kupfer, Mangan sowie B-Vitamine, Niacin und Folsäure.
Was jetzt zu blühen beginnt, wird Ende des Sommers geerntet und findet sich spätestens zum nächsten Weihnachtsfest in allen typischen Süßspeisen der Algarve. Und vielleicht können orientalische Prinzessinnen (und andere Residenten) eines Tages ihre Sehnsucht nach winterlichem Weiß wieder mit der Mandelblüte stillen.
Abseits dieser in der alten Mauren-Hauptstadt Silves angesiedelten poetischen Legende war die Mandel über viele Generationen hinweg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region. Besonders Tavira stand im Mittelpunkt der Mandelzucht, die der Stadt und dem Umland eine wechselvolle Wirtschafts-Geschichte bescherte.
Der Augustinermönch João de São José (er war Abt im ‘Convento de Nossa Senhora da Graça’ in Tavira) schrieb bereits im Jahr 1577 in der „Chorologie des Königreichs Algarve“, einer vegetations-geografischen Beschreibung der Landschaft und ihrer Nutzung: „Die Mandel erweist sich als wertvolles Gut, denn sie braucht keinen Dünger, verfault nicht bei Regen und lässt sich von Käfern nicht beeindrucken, sodass ihr Besitzer keine weiteren Umstände mit ihr hat, als sie zu ernten.“ Doch der Mönch hatte andere Einflüsse der Natur nicht bedacht: Mitte des 17.Jahrhunderts dezimierte eine Pest-Epidemie die Bevölkerung, bis es schließlich kaum noch arbeitsfähige Menschen gab. Die Landwirtschaft kam zum Erliegen. Auch das Hafenbecken von Tavira war bald fast vollständig versandet, sodass die Handelsschiffe nicht mehr in den Hafen gelangten – die Region verlor ihre ökonomische Bedeutung. Einzig die Küstenschifffahrt und die Flussfischerei hatten Bestand.
Tavira war auf Kontakte mit dem nahen Umland zurückgeworfen und litt unter dem Abgeschnittensein von der übrigen Welt, mit der noch eine Generation zuvor reger Handel und kultureller Austausch stattgefunden hatte. Fischfang und Salzgewinnung waren der Gegend als Lebensgrundlage geblieben. Doch schließlich besannen sich die Menschen auf die Wiederbelebung der Landwirtschaft, kultivierten neben Feigen und Johannisbrot in wachsendem Umfang auch Mandelbäume. Deren Ertrag erreichte als Exportgut bald auch wieder entfernte Länder; Italien und Flandern garantierten der Stadt eine gewisse Teilnahme am Welthandel.
In historischen Dokumenten ist die damals erneut aufkeimende Bedeutung der Mandeln dokumentiert, aber auch die Abhängigkeit von ihr: Eine Chronik im Stadtarchiv von Tavira berichtet über ein Jahr, in dem die Bäume steril waren und keine Früchte hervorbrachten, was große Not in der Bevölkerung verursachte. Auch in anderen Teilen der Region waren Mandeln mehr als nur Landschafts-Schmuck: Hinter Namen wie Bonita, Convento oder Lourencinha verbergen sich Mandelsorten, die auch im gesamten Kreis Portimão und rund um Silves wuchsen; Ludo, Ferragudo und José Dias gehörten ebenso dazu wie die besonders schmackhafte Fôfana oder die weiche Molar da Fuzeta – Namen, an die sich heute nur noch Eingeweihte erinnern; 27 verschiedene Sorten wuchsen auf den Mandelplantagen der Algarve.
Die Bäume brachten im Schnitt bis zu 2.000 Tonnen Ertrag pro Jahr. Im Anbaugebiet selbst wurde davon nur ein Zehntel verbraucht, der Rest ging in den Export in andere Länder Europas, vor allem nach Deutschland, Belgien, Holland und England, und machte die Algarve und damit Portugal zu einem der wichtigsten Mandelexporteure überhaupt. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Agrartechnik ging ein beispielloser Aufschwung einher: Im Jahr 1965 wurden 10.000 Tonnen Mandeln geerntet, die auf rund 4,2 Millionen Bäumen in der Algarve gereift waren. Die Frucht gehörte zu jedermanns täglichem Speiseplan, zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit oder Aperitif, ganz zu schweigen von den vielen Rezepten für Süßspeisen, in denen Mandeln ein Hauptbestandteil waren und sind. Die Schalen der Früchte wurden als Brennstoff verarbeitet, Mandelöl als integraler Bestandteil kosmetischer Produkte eröffnete dem Erzeugnis aus der Algarve weitere Absatzmärkte.
Die Region wurde reicher und sprach sich mehr und mehr auch als touristisches Ziel herum. Ein Verdrängungs-Prozess begann: Die Bäume wurden gerodet, denn Hotelanlagen versprachen höhere Rendite als Mandelhaine. Wo Bauen nicht rentabel war, wurden vergleichsweise pflegeleichte Apfelsinen angepflanzt. Die Modernität jenseits der traditionellen Landwirtschaft erschien allzu verheißungsvoll; weder Behörden noch Bürger widersetzten sich dem langsamen, von Menschenhand herbeigeführten Mandelsterben.
1976 wurden schließlich nur noch 300 Tonnen Mandeln exportiert – ein Rückgang um mehr als das Dreißigfache in gerade mal zehn Jahren. In den 1980ern war die Produktion dann so gering, dass nicht einmal verlässliche Statistiken darüber vorliegen. Die Frucht, die Jahrhunderte lang als die Königin der regionalen Wirtschaft gegolten hatte, war zu ihrem Stiefkind geworden. Inzwischen wurden Pläne für die Rückkehr zum Mandelanbau in Angriff genommen. Auch wenn die kalifornische Übermacht von rund achtzig Prozent der Weltproduktion erdrückend scheint, wollen Landwirte in Alentejo und Algarve der für Portugals Süden so emblematischen ‘Prunus dulcis’ verstärkt anpflanzen. Insbesondere der Einzugsbereich der Alqueva-Talsperre erweist sich als vielversprechendes Terrain.
Eine Studie der Algarve-Universität führt aus, dass unter anderem veränderte Ernährungsansprüche zur Wiederentdeckung der Frucht beitragen: Ihre Eigenschaften machen die Mandel zu einem der gesündesten Lebensmittel mit einem ungewöhnlich hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren bei Abwesenheit anderer Fette und Cholesterin. Mandeln enthalten Linolsäure, Vitamin E und Selen, das bei der Vorbeugung gegen Krebserkrankungen hilft, gegen Diabetes und den Grauen Star. Mandeln sind reich an Kalzium, Eisen, Magnesium, Phosphor, Kalium, Zink, Kupfer, Mangan sowie B-Vitamine, Niacin und Folsäure.
Was jetzt zu blühen beginnt, wird Ende des Sommers geerntet und findet sich spätestens zum nächsten Weihnachtsfest in allen typischen Süßspeisen der Algarve. Und vielleicht können orientalische Prinzessinnen (und andere Residenten) eines Tages ihre Sehnsucht nach winterlichem Weiß wieder mit der Mandelblüte stillen.