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Lissabon: Sprungbrett nach Rio de Janeiro.

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Andreia Lima

Gast
Oi Gente,

seit ein paar Jahren lebe ich nun in Rio de Janeiro, nachdem ich ca. 8 Jahre in Lissabon gelebt habe.

Irgendwie fasziniert mich die lusophone Welt und ich war auch schon auf den Azoren, Caboverde und Sao Tomè e Principe. Ich weiss nicht warum die mich so fasziniert. Wahrscheinlich, weil die genauso chaotisch sind, wie ich.

Ich habe eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht, ausser Lissabon, aber dort habe ich schliesslich gelebt und es ist immer ein Unterschied, ob man irgendwo lebt oder zu Besuch im Urlaub ist.

Nun lebe ich in Rio und bin begeistert. Diese Aussage kommt nicht aus dem Blickwinkel einen Besuchers, sondern ich lebe hier und bin zu 99% integriert. Ich spreche ziemlich gut portugiesisch, welches ich mir selbst beigebracht habe.

Rio de Janeiro ist eine geniale Stadt mit den freundlichsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe......und ich bin schon ziemlich viel auf der Welt gereist. Kenne ganz Europa.

Mag sein, dass ein Zé Manuel im Alentejo auch nett ist, wenn er einem ein Huhn schenkt. Mit sowas kann ich nichts anfangen. Ich bin Grosstaedter aus Berlin. Lissabon ist zwar die Hauptstadt eines Landes, aber eigentlich provinziell.

Hier sind die Leute einfach, aber unglaublich gewitzt. Hier leben fast so viele Leute, wie in ganz Portugal. Ca. 6-8 Millionen Menschen. Das Bundesland Rio de Janeiro ist so gross, wie Deutschland. Brasilien so gross, wie Westeuropa.

Der Schriftsteller Stefan Zweig beschreibt Brasilien ziemlich gut in seinem Buch "Brasilien. Ein Land der Zukunft".

Es gibt viele Klischees aus den Medien. Die muss man mit Vorsicht geniessen. Vieles davon stimmt einfach nicht, oder wird pauschalisiert. Ich tanze z.B. nicht den ganzen Tag Samba, trinke Caipirinha und habe immer eine schoene Mulatta auf dem Schoss.

Rio de Janeiro ist eine verdammt moderne Stadt, wo sich momentan sehr viel tut. Die Kriminalitaet und der Drogenhandel werden erfolgreich bekaempft. Kritiker wuerden sagen, dass das wegen der WM 2014 und der Olympiade 2016 ist. Das ist Quatsch. Brasilien, der schlafende Riese wacht auf.

Am Sonntag wurden die Favelas Rocinha und Vidigal befriedet. Koennte sich der Buergermeister von Lissabon auch mal ueberlegen, ob er mal einen Blick nach Alfama und Martim Moniz richtet und dort den Heroin- und Kokainhandel beendet.

Ich bin angekommen. Vielleicht in einer der abgefahrensten Gesellschaften auf unserem Planeten. Die Brasilianer haben ein anderes gesellschaftliches Konzept entworfen. Es ist ein ganz junger Staat und eine ganz junge Demokratie. Die Leute sind hier total unverdorben. Ich erlebe das jeden Tag.

Falls man an Schicksal glaubt, danke ich Gott, durch die Hoelle Portugals gegangen zu sein. Ich habe da eigentlich nur schlechte Erfahrungen gemacht. Das Land ist natuerlich wunderschoen, aber irgendwie ticken die Leute nicht ganz richtig. Somit weiss ich umsomehr Rio de Janeiro und den Spirit der Menschen hier zu schaetzen.

Fuer einen Aussenstehenden mag das seltsam klingen. Besucht mal Brasilien und lest das Buch von Stefan Zweig. Brasilien ist wirklich ein Land der Zukunft.

Ich habe gerade die beste Zeit meines Lebens. Die Leute hier sind genial.
 
Falls es jemanden interessiert, wie man in Rio leben kann. Ich habe einen werbefreien Blog. Ich wohne nicht in Copacabana oder Ipanema, sondern in Jagarepaguá/Freguesia, gleich neben der beruechtigten Cidade de Deus (Gibt einen tollen Film "Cidade de Deus/City of God).

Ist ein toller Stadtteil. Die Region nennt sich Zona Oeste, also Westzone. Zum Strand nach Barra da Tijuca brauche ich mit dem Moped nur 15 Minuten. Bin aber eigentlich nie dort. Vielleicht ein Mal im Monat. Ich habe die coolste Labradorhuendin, die man sich vorstellen kann. Ein brauner Labrador. Aber noch kein Auto, sonst waere ich oefter am Strand.

Mit der war ich schon viel unterwegs. Das geniale an Rio ist, dass man in einer Megametropole wohnt, aber einen Steinwurf von purer Natur entfernt ist. Mit meinem Hund bin ich ziemlich oft auf der Ilha Grande. Etwa 2 Autostunden nach Angra dos Reis und dann eine Stunde Uebersetzen mit der Faehre nach Vila Abraao. Die Ilha ist echt ein Paradies.

Fuer Portugalfreunde lohnt sich wirklich ein Urlaub nach Brasilien. Wichtig ist, dass man die Sprache spricht. Ansonsten kriegt man nicht viel mit.

Wen es interessiert. Hier mein Blog: Dieser Link ist leider nicht mehr erreichbar

LG, Dirk
 
Moin Forum,

ich habe mich mal umgehoert und zwei von meinen alten portugiesischen Freunden werden nun Portugal verlassen. Die haben eigentlich gute Jobs, der eine ist Assistent bei der Uni, der andere Leiter der Dekorationn fuer eine spanische Modekette.

Die haben keinen Bock mehr auf Portugal. Hat wahrscheinlich auch mit der Schuldenkrise zu tun. Der von der Uni hat Verwandschaft in Genf und wird dorthinziehen, der andere sucht sich einen Job in Belgien.

Wenn alle intelligenten Portugiesen abwandern, wird sich wohl kaum etwas aendern oder verbessern. Wie seht ihr das?
 
Nur noch ganz kurz zu Rio. Cariocas haben einen unglaublichen Teamgeist. Hier wird niemand abgekanzelt. Grundsaetzlich wird jeder Fremde oder Fremdes erstmal positiv aufgenommen. Da kommen keine schraegen Sprueche, wenn man etwas anders ist. Die Leute sind neugierig im positiven Sinne und wollen einen kennenlernen. Das hat mir in Lissabon gefehlt. Natuerlich braucht es hier auch seine Zeit, bis man echte Freunde findet und es ueber das Oberflaechliche hinaus geht.

Die Leute sind so unglaublich flexibel und informell. Es ist das perfekte Miteinander. Ich mache zum Beispiel ganz unkonventionelle Dinge und nehme taeglich den Nachbarshund mit zum Spielen. In Portugal wuerden sich sicherlich die Leute die Maeuler zerreissen, weil sowas dort naemlich nicht jeder macht.

Vor ein paar Tagen habe ich das Bewerbungsvideo fuer die Olympischen Spiele das erste Mal gesehen. Das ist mein Rio! Genauso laeuft das hier:

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Was mich in Lissabon besonders geaergert hat, waren die rassistischen Sprueche der Portugiesen gegenueber Brasilianern, obwohl die noch nie in Brasilien waren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
hi Dirk -
das filmchen macht laune, geb ich zu.
nachdem ich jetzt den größten umzugsstress hinter mir hab... konnt ichs auch genießen.
schön, dass es dir rundherum gut geht auf der anderen seite des atlantiks!

aber lass uns, die wir hier in portugal leben und urlauben, trotzdem die freiheit, portugal samt portugiesen zu mögen (mir geht es jedenfalls so!) und das vergnügen, eben genau hier zu leben/zu urlauben.
können ja ned alle nach rio oder anderswo in brasilien gehen... stell dir das mal ne sekunde lang vor :eek:
 
Oi Christina,

die Freiheit, sich unter Portugiesen wohlzufuehlen, spreche ich niemanden ab. Jeder kann machen, was er will.

Ich glaube auch garnicht, dass Brasilien fuer Jedermann geeignet ist. Ich koennte mir vorstellen, dass einige Deutsche sich hier ueberhaupt nicht wohlfuehlen wuerden. Fuer mich ist Rio ideal. Ich habe mein Ziel erreicht. Ich koennte mir keinen besseren Ort der Welt vorstellen.

Hier finde ich alles Positive, was mir teilweise in Berlin und ganz besonders in Lissabon gefehlt hat.

Ich weiss ja nicht, wie gut du wirklich in Portugal integriert bist, oder ob du nach den ganzen Jahren in Portugal immernoch die Gringa bist. Soll keine Kritik sein.

Mir ist es gelungen, mich superschnell zu integrieren. Es macht einfach nur Freude.

Sei lieb gedrueckt, Dirk
 
können ja ned alle nach rio oder anderswo in brasilien gehen... stell dir das mal ne sekunde lang vor :eek:

Natuerlich nicht. Liegt ja vielleicht nicht jedem.

Ich bin aber leider ein sehr kritischer Mensch geworden. Beobachte auch sehr viel und stelle dann Vergleiche an. Hinterfrage unglaublich oft.

Rio hat gewaltige Probleme. Aber sie werden in Angriff genommen. Das Momentum "Mensch" spielt hier noch eine wirklich wichtige Rolle. In Portugal habe ich mich ein Jahr wohlgefuehlt. Das ist ja das, was wir alle wollen, sich wohlfuehlen. Die portugiesische Gesellschaft gefaellt mir ueberhaupt nicht. Portugal hat seine Kultur verloren.

Im Prinzip ist es egal, in welchen Land man lebt. Man lebt dort, wo man gerne ist. Fuer die einen ist es Brasilien oder Deutschland oder Portugal.

LG, Dirk
 
.....Die portugiesische Gesellschaft gefaellt mir ueberhaupt nicht. Portugal hat seine Kultur verloren.

Im Prinzip ist es egal, in welchen Land man lebt. Man lebt dort, wo man gerne ist. Fuer die einen ist es Brasilien oder Deutschland oder Portugal.

LG, Dirk

Ich kann Deine Gefühle verstehen.
Einesteils liebe ich nach wie vor Portugal und seine Bewohner, andererseits tut es oft sehr weh, zu sehen, daß sich in all den Jahren nicht viel geändert hat.
Die Portugiesen stehen nach wie vor am Atlantik und schauen übers Meer statt das große Europa und seine Chancen zu erkennen.

Aber das extrem positive Bild von Brasilien kann ich nicht teilen.
Auch ich hatte ursprünglich mal vor, 2-3 Jahre in Spanien oder Portugal zu verbringen und dann nach Südamerika zu gehen (Mitte der 70er).
Als aber dann Arbeitskollegen mit größter Selbstverständlichkeit davon berichteten, daß man in Rio täglich damit rechnen müsse, daß plötzlich irgendwo Schüsse fallen und man von einer Sekunde auf die andere mitten in einem US-Krimi landet, da habe ich mich schnell anders orientiert und bin letztendlich 18 Jahre in Portugal geblieben.
Einer meiner Klassenkameraden war dann beruflich in Argentinien, Brasilien und Chile - er ist dann in Argentinien geblieben, wo er auch seinen Ruhestand verbringt - aber die Zeit in Rio war wirklich nicht schön. Wohnen im Ghetto mit Stacheldraht un d Security und die Kinder mit Bodyguards im gepanzerten Auto zur Schule. Das muß man wirklich nicht haben.
Vielleicht ändert sich ja jetzt wirklich was, ich würde es allen in BR wünschen.

LG
portapaixonado
 
Als aber dann Arbeitskollegen mit größter Selbstverständlichkeit davon berichteten, daß man in Rio täglich damit rechnen müsse, daß plötzlich irgendwo Schüsse fallen und man von einer Sekunde auf die andere mitten in einem US-Krimi landet

Das ist totaler Quatsch. Das wird alles nur in den Medien aufgebauscht. Ich habe mich hier noch nie unsicher gefuehlt. Natuerlich bin ich auch nicht bloed und gehe in unsichere Gegenden. Ich bin viel unterwegs und laufe nicht wie ein Gringo rum. Ich sehe auch nicht wie ein Gringo aus. Ich habe Glueck. Die Leute koennen mich optisch ueberhaupt nicht einordnen, viele denken sogar, dass ich Brasilianer mit einer Sprachstoerung bin. Mit Sotaque eben.

Und dann auch immer dieses Klischee, dass die Leute hinter dem Stacheldraht wohnen.
 
Die Portugiesen stehen nach wie vor am Atlantik und schauen übers Meer statt das große Europa und seine Chancen zu erkennen.

Ich glaube nicht, dass Portugals Zukunft in Europa liegt. Portugal hat nichts, was den Rest Europas interessieren wuerde. Die Lage ist natuerlich gut und Tourismus machen sie ja. Dann ein bischen Wein und Landwirtschaft. Ansonsten ist da nicht viel. Vielleicht ein paar kleine High-Tec-Firmen, die Nieschen bedienen oder auslaendische Firmen, wie Autoeuropa.

Wenn ich portugiesischer Praesident waere, wuerde ich massiv den Handel zwischen Suedamerika, Afrika (Angola) und Europa ankurbeln. Angola boomt. Portugiesisch ist eine schwere Sprache. Da koennte Portugal einspringen. Portugiesen wissen auch, wie man dort Geschaefte macht.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Genau das meinte ich. Portugal sollte doch endlich mal seine Chancen in und für Europa erkennen und nicht abwarten, bis andere Nationen die mögliche Position besetzt haben.
 
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