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1973 mit der Bahn nach Portugal

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11. Feb. 2010
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Wolfgang hat eine Bahnfahrt nach Portugal zur heutigen Zeit beschrieben.
https://www.portugalforum.de/commun...ortugal-nach-deutschland-oder-umgekehrt.4901/
Vor 42 Jahren war die Strecke in etwa die gleiche, die Reisezeit aber etwa doppelt so lange und mit deinem Gesäß schaukeltest du im Zug, besonders in Spanien, ganz schön hin und her.

Sonst gabs noch einige Unterschiede.

Wir sind im Frühjahr 1973 zu fünft zu einer Hochzeit in den Raum Aveiro gefahren.
Es war eine gemischten Gruppe aus verschiedenen Nationalitäten.
In Hamburg ging es mit dem Nachtzug nach Paris los.

Wir hatten uns dafür entschieden im normalen geschlossenen sechs plätzigen Abteil zu schlafen, da konnte man die Sitze zu einer Liegefläche ausziehen und dafür morgens lieber ausgiebig im Speisewagen zu frühstücken.
Es war die Empfehlung ausgegeben worden, sich ordentlich die Füsse zu waschen und ein wenig Parfüm könnte auch nicht schaden.
Da wir ja beim Schlafen gegenüber lagen, schautest du wenigsten auf ein Fusspaar.
Jeder hatte ein Kissen mit und wir haben alle gut geschlafen.
Am nächsten Morgen frühstückten wir im Speisewagen Kellner, Koch und weiße Tischdecke waren selbstverständlich, heute unvorstellbar.

Die Umsteigerei in Paris von einem Bahnhof zum anderen war genau so nervig wie heute.
Im Zug nach Portugal schien die Freude auf bevorstehende Abenteuer bzw. die Freude seine Familie wieder zu sehen, praktisch in der Luft greifbar.
Der Zug (ein portugiesischer) roch zart und angenehm nach Knoblauch, dieser Duft wurde wahrscheinlich aber nur von Norddeutschen wahrgenommen.
Da die Wörter laptop, mobile oder Handy noch nicht erfunden, war Kommunikation angesagt und wurde freudig mit viel Spaß betrieben. Kein Vergleich zu der heutigen wortlosen Gesellschaft.

Der Speisewagen war ein Traum. Der Wagon war mit wunderschönen Hölzern ausgekleidet und mit Intarsien verziert. Ich möchte mal wissen wo diese Wagons geblieben sind.
Die Speisen und der Wein waren köstlich und erstaunlich günstig.
Die Rotweine hatten damals meistens noch nicht so viel Säure und nicht so hohen Alkoholgehalt.
Beim Abendessen kam es zu Brüderschaften und Schwesternschaften und der Koch wurde in allerhöchsten Tönen gelobt.
Er war Portugiese, der auch einige Jahre in Frankreich gearbeitet hatte.
Ganz besonders wurden seine Soßen gelobt.
Auf die Frage was das Geheimnis der Soßen wäre, sagte er, viel Zeit, viele gute Knochen und viel Alkohol.
Aber alle wären mit seinen Soßen nicht zufrieden, sagte er. Wieso?????
Letzte Reise wären zwei Menschen aus der Algarve mitgefahren und hätten gesagt, Soße…..bääh.

Da hat sich in der Algarve am Land eigentlich noch nicht so viel geändert.
Letztes Frühjahr war ich zum Abendessen mit meiner Frau in einem Restaurants.
Hier hatte meine Frau mal vor vielen Jahren verzweifelt zum Kellner gesagt, zu diesem Essen gehört doch unbedingt auch ein wenig Soße. Habt ihr etwas Soße?
Der Kellner brachte….."Soße" und es war………richtig geraten…….,
Olivenöl mit zwei reingeschnippelten Knoblauchzehen.

Diesmal saß am Nebentisch ein portugiesisches Ehepaar und unser Gespräch drehte sich ums Essen.
Während des Gespräches sagte der Mann, die Franzosen würden viele Gerichte mit Soße machen.
Soße bääh.

Wenn Zeit wird die Reise fortgesetzt.
Lieben Gruss
 
Der Zug von Paris nach Portugal war damals durchgehend.
In Hendaye an der französischen Grenze wurden die Achsen der Wagons auf spanisch/portugiesische Spurbreite verbreitert.
Man brauchte nicht auszusteigen, hörte nur rum bums, rum bums, alles ging recht flott.

Über die Grenze von Spanien in Portugal angekommen (nach den damaligen komplizierten Grenzformalitäten) fiel auf, dass die Bahnhöfe, auch die kleineren durch die wir durchfuhren, super sauber und liebevoll im Detail gestrichen waren.
1973 hatte die unsägliche Plastiktüte in Portugal noch nicht ihren Siegeszug angetreten und eine leere Thunfischdose wurde auch nicht weggeschmissen, für irgend etwas war die noch gut.

Irgendwann teilte sich der Zug, Richtung Lissabon und nach Porto.
Es war faszinierend vom Zug aus zu sehen, wie die Frauen ihre Wäsche, welche am Fluss oder Brunnen gewaschen wurde, in Körben auf dem Kopf trugen, oft ohne den Korb mit einer Hand festzuhalten.
Wird wohl heute keiner mehr können.
Die klassische "Handwaschmaschine" war damals in Portugal ein länglicher Betonbottich mit einem Betonrubbelbrett innen schräge an der Seite.
Das Ding wurde in Serie hergestellt.
Wer ein paar mal so seine Wäsche gewaschen hatte, musste zwangsläufig zu dem Schluss kommen, eine Waschmaschine sei die größte Erfindung der Menschheit.
Waschmaschine war damals der pure Luxus.
Noch zehn Jahre später, als wir ein Häuschen mieteten und ich dem Vermieter sagte, wir mieten nur, wenn wir uns eine Waschmaschine installieren können, stöhnte und drehte und wendete der sich.
Er hatte wohl angst seine Frau würde auch auf so eine Flause kommen.
Er meinte, eine Waschmaschine wäre nicht gut für die Wäsche.
Aber gut für denjenigen der wäscht, war die Antwort meiner Frau.
Die Aussicht, wir würden später die Waschmaschine im Haus lassen, überzeugte ihn.

In Aveiro holte uns der Brautvater, der schon eine Woche unten war, ab.
Er zeigte uns den tollen langen Strand mit seinen Dünen und seinen Ort.
Bei den neu gebauten oder renovierten Häusern sagte er, dieses Haus gehört einer Familie die in Frankreich arbeiten, bei diesem Haus arbeitet der Mann in Belgien usw, usw.
Nur bei einem neu renovierten Haus sagte er, die arbeiten in Portugal. Wie geht das?
Ja, der Vater und der Sohn arbeiten auf einem portugiesischen Fischdampfer vor Grönland.
Ein neu gebauter solider Bungalow von 100-120m2 kostete damals umgerechnet 30 000€.

Einen Tag später kam das Brautpaar an.
Sie hatten für die Strecke drei Tage mit dem Auto gebraucht. Was damals eine gute Zeit war.
Auf der Westroute in Frankreich waren einige der Straßen noch bombé und in Spanien hattest du mehr Kurve als Straße und drei Laster vor dir.
Waren die endlich mit Stress überholt, hattest du einen Kilometer weiter vier Laster vor dir. Berg hoch ging das Tempo dann runter bis auf 40km/h.
In Portugal das gleiche nur Berg hoch fuhr man auch schon mal 20km mit zwei Korklastern vorweg.

Wer glaubt, dieses portugiesische Phänomen dem einzigen männlichen Statthalter alles hinten rein zu stopfen……..
Was so weit geht, dass die Mama auf eine vernünftige Zahnreparatur, um mal wieder richtig kauen zu können, verzichtet, nur damit der Sohnemann ein neuwertiges Auto bekommt……….
wäre neueren Datums, oh no no, dem ist nicht so.
Der Bräutigam hatte von seinen Eltern zur Hochzeit einen weißen recht neuen Sportwagen geschenkt bekommen. (weiß galt damals als chic)
Und die beiden Übernachtungen auf der Strecke waren von ihnen in teuren Hotels gebucht worden.
Das schien dem Bräutigam alles etwas zu Kopf gestiegen zu sein.
Er tat nun so, als wäre er noch etwas besseres als wir anderen.
Dem Bruder der Braut, Teilnehmer unserer Bahnfahrt nach Portugal, ging sein Gehabe ganz schön gegen den Strich.
Irgendwann schaute er mich an und sagte laut,
keine Hemd vor dem Ar**h, aber ein weißes Moped fahren.
Der Bräutigam wusste wem das galt und kam erfreulicherweise schnell wieder auf normal.

Lieben Gruss
 
Das mit dem Geld ausgeben, haben wir auch mit erleben müssen.
Der Sohn unserer EX Nachbarn, hatte hiier schon Ja gesagt, aber die Mutter der Braut, muste ja auch noch eine Feier ausrichten.
Es wurde für die ganze Fam. und Freunden des Bräutigams, ein Reisebus gemietet, von Guarda nach Viseu und retour.
Dann eine große Räumlichkeit für ca. 180 Pers. und dann das Essen. Also hier hätte man damit mal eben 900 bis 1000 Leute satt bekommen.
Also für die Kosten, hat die Dame einen Kredit aufgenommen, den sie bis zum letzten Tag zahlen kann.

Und weil es da wohl auch keine Tafel gibt/gab, wurde der rest des Essens warscheinlich auch alles in die Tonne verbracht.
Klar, das sie sich nicht lumpen lassen wollen, aber warum mit solchen mitteln.

Für mich unverständlich.
 
@Portugal Camper, das ist auch ein Phänomen, aber hat glaube ich einen anderen Ursprung.
Wenn du die Mutter der Braut mal triffst, frag sie doch einmal, ob sie in jungen Jahren gerne Donna Xeppa oder die darauf folgenden Serien (deren Namen mir gerade nicht einfällt) gesehen hat.
Das waren brasilianische daily soap Sendungen, wie Denver und Dallas nur halt mit wesentlich mehr Emotionen.
Donna Xeppa startete im Fernsehen Ende der 70iger Jahre und hatte mehr als 300 Folgen und die nächste über 500.
Sie liefen abends um 9Uhr von Montags bis Freitags und bei Donna Xeppa waren um 9Uhr die Straßen leer.
Die Restaurants und Bars haben sich damals alle Fernseher angeschafft, (was leider bis heute so geblieben ist), damit nun nicht alle abhauen und zu irgendwelchen Verwandten, die einen Fernseher haben verschwinden.

Ab und zu wurde in so einer Sendung auch mal ganz teuer mit hunderten von Gästen eine Hochzeit zelebriert.
Damals haben 90% der Portugiesen Klimmzüge am Brotschrank gemacht und die jungen Frauen haben geträumt und gehofft, vielleicht kann meine Tochter mal so heiraten.
Es ist viel von den Sendungen unbemerkt bis heute ins tägliche portugiesische Leben übergeschwappt.
Wenn z.b. heute jemand in Portugal (meist Frauen) in etwas gehobener Stellung immer auf nervös tut und angeblich immer knapp mit der Zeit ist,
dass sind Überbleibsel von damals.
So ging es in den daily soaps häufig zu.
 
Hi Mouse -
das ist echt interessant, das mit den Soaps und der daraus entstandenen TV-"Kultur" in Kneipen und Restaurants. Hast du mir da eine Quelle?
Nicht dass ich dir nicht glaube, aber ich bin grad am zweiten Portugalbuch und würde das gerne mit reinnehmen...
 
Hi Chica, hier und da hatte ein Restaurants auch schon vorher einen Fernseher, aber doch eher selten.
Ganz einfach mal die Portugiesen über 55 Jahre fragen, die haben Donna Xepa mehr oder weniger alle gesehen und werden sich wohl noch an die Zeit erinnern.
Damals waren die Straßen leer, wenn das lief.
Einige werden das heute sicherlich verleugnen (hauptsächlich wohl die Männer). Denn nach der x-ten telenovela hatte sich das irgendwann mal tot gelaufen.
In der Serie mit über 500 Folgen war im Titel irgendwas mit Aqua.

Die Portugiesen werden natürlich nicht sagen, dass die ersten Telenovelas in vielen Bereichen auf ihr behaviour bis heute abgefärbt haben.
So viel der Selbstreflexion geht halt nicht und sie werden es selber sicherlich kaum wahr genommen haben.
Du musst also schon sehr geschickt fragen.
 
Die Pension in der wir zu dritt unter gebracht waren, war eine für damalige Zeit klassische, mit einem Tick modernem.
Die Betten waren wie fast in allen Pensionen damals Stahlrohrgestelle.
Das Lattenroste waren aus Drähten und Spannfedern.
Weil dies System mit der Zeit etwas ausleierte, hatten gut eingefahrenen Betten in der Mitte eine leichte Kuhle.

Die Zimmer hatten damals alle so einen Flair, also wenn jemand behauptet hätte, die ganz, ganz traurigen Fados wären alle in solchen Räumen geschrieben worden……. durchaus glaubwürdig.
Das moderne an unserer Pension war, unseren Zimmern gegenüber im 1. Stock war ein großes Badezimmer mit Dusche und warmen Wasser und eine helle saubere Toilette.
Saubere Toilette war damals nicht so häufig und im Zug nach Portugal hatte mir eine deutsche Deern gesagt, am meisten in Portugal fürchtet sie die Toiletten.


Einen Tag bevor die Brautfeier im Haus und Garten des Vaters über die Bühne ging trafen wir uns Abends im Haus.
Es herrschte helle Panik.
Papa war grau und grün im Gesicht und sagte, keine Elektrizität und der Elektriker vom E-Werk kommt erst Montag.
Ich soll erst Montag noch einmal anrufen, oh Gott, oh Gott.
Was war geschehen?
Der 15 jährige jüngste Sohn hatte sich bei einer alten Stehlampe als Elektriker versucht.
Leider war die Isolation am Kabel hinter der Lampenfassung abgebröselt und die Drähte lagen blank nebeneinander.
Da ist dann halt beim Test die Vorsicherung geschmolzen.
Damals waren die Häuser mit überirdisch verlaufenden Stromleitungen und nur einer Phase (220V) elektrifiziert.
Der Endpunkt Stromleitung war mit dem Hausanschluss durch einem dünnen 10cm langen Draht, der aus noch dünneren Drähtchen gedreht war verbunden, der "Vorsicherung".
Ich hatte damals auf Reisen immer ein Schweizer Messer und eine isolierte Flachzange mit solidem Seitenschneider im Gepäck.
So war schnell aus dem auch aus dünnen Drähten bestehenden Kabel der alten Stehlampe eine neue Vorsicherung gebastelt.
Dem nicht mehr so graugrünen Papa sagte ich, mein angebauter Draht ist sicherlich zu dick, der schmilzt vielleicht erst, wenn im Haus die Stromleitungen glühen.
Wenn du angerufen hast und der Elektriker kommt, schlag den Draht damit du keinen Ärger bekommst, mit einem trockenen Stück Holz ab……..

Zurück spät abends in der Pension und gerade eingeschlafen ging der Monster Alarm vom Taxistand los.
Da war man froh nicht aus dem Bett zu fallen.
Schräg gegenüber war ein kleiner Taxistand und eine kleine Bude an der Seite.
In der Bude war ein Telefon. Wenn ein Taxifahrer da war schloss er die Bude auf und die Kunden konnten ihn via Telefon ordern.
Das Telefon hatte obendrauf eine Doppelklingel, die hörte man 30m weit.
Irgendwann muss dort aber ein fast tauber Taxifahrer gearbeitet haben, denn außerhalb der Bude war zusätzlich eine Riesen Bimmel angebracht.
Wenn dessen Taxischeiben vibrierten wusste er aha.

Um kurz vor 24 Uhr stand um diese Jahreszeit keine der beiden Taxen mehr dort, aber die Superbimmel war weiter in Funktion.
Portugiesen werden wohl immer schon krachresistent gewesen sein und Oropax hatte damals sicherlich in der Straße keinen Grossversuch gestartet.
Und ich glaube auch nicht, dass auf einer portugiesischen Burg früher die Mannschaft das schnattern und zischeln von Gänsen nachts gehört hat wenn der Feind kam.
Die vorherige Nacht mit der Superbimmel war hart.
Der erste verhinderte Gast war ein richtig schlauer, der hatte jeweils nach 15 Minuten, wenn man gerade wieder eingeschlafen war, noch mal angerufen.
Die Taxe könnte ja jetzt zurück sein.

Nun nach dem ersten Klingelalarm in dieser Nacht klopfte es an meiner Tür.
Excuse moi, sagte eine mir bekannte Stimme, ob sie sich bis morgen früh mal meine schöne Zange ausleihen könnte.
Hmm, warum war ich nicht auf diese Idee gekommen und warum nicht schon gestern und nun Pierre mein Lieblingsfranzose kurz nachdem er meine Zange gesehen hatte???
Jedenfalls war der Rest der Nacht ruhig.

16 Monate später erhielt ich in Deutschland eine Postkarte vom Campingplatz am Strand von Ílhavo/ Aveiro mit etwa folgendem Text.
Wasserstandsmeldung
Sand in der Butterdose, Butter eh flüssig
Provisorische Vorsicherung am Haus weiter in duty
Glocke am Taxihäuschen still out off duty
Pension somit weiterhin akzeptabel
 
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